Interview mit Senior Vice President New Growth Factory bei Miele, Gernot Trettenbrein
Selten hat ein Ereignis die Grillszene so elektrisiert wie der Einstieg von Miele bei Otto Wilde, und das mitten in einer wirtschaftlich prekären Phase mit einer Mehrheitsbeteiligung von 75,1 Prozent.
Miele hat sich davon nicht beeindrucken lassen, dass Otto Wilde Schwierigkeiten seitens des Launches seines Kickstarter Projektes G32 hatte, sondern sieht für die Zukunft enormes Potenzial in der Kooperation mit dem Premiumgrill-Hersteller, um sich auf dem deutschen BBQ-Markt zu etablieren.
Wir hatten die Möglichkeit eines Interviews mit Gernot Trettenbrein, Senior Vice President New Growth Factory bei Miele, zu den kürzlichen Geschehnissen sowie den zukünftigen Ambitionen auf dem Grillmarkt.
Für weiteres Wachstum abseits unseres bisherigen Stammgeschäfts haben wir Anfang des Jahres eine eigene Business Unit gegründet, die wir „New Growth Factory“ nennen. Gemeint sind hiermit Aktivitäten außerhalb unserer angestammten Bereiche wie der Wäschepflege oder den Kochgeräten. Schon heute haben wir hier Miele-Töchter wie den Gourmet-Lieferservice MChef oder den Vertical-Farming-Spezialisten Agrilution angesiedelt. Ebenfalls der New Growth Factory zugeordnet ist unsere Mehrheitsbeteiligung an der Rezepte-App KptnCook – eines der innovativsten und wachstumsstärksten Angebote seiner Art im deutschsprachigen Raum.
Miele hat den Sprung auf den Grillmarkt vollzogen mit einer vielbeachteten mehrheitlichen Beteiligung an Otto Wilde, die in der Grillcommunity sehr beliebt sind. Wie kam es zu dieser Kooperation?
Outdoor-Cooking ist seit einiger Zeit ein Trendthema. Immer mehr Menschen investieren in hochwertige Grillgeräte oder sogar ganze Outdoor-Küchen. Hier gibt es deutliche Synergiepotenziale zu Miele, denn wir entwickeln seit über 100 Jahren Produkte und stehen für höchste Qualität im Bereich der Premiumhausgeräte und insbesondere der Kochgeräte. Um neue Wachstumsmärkte zu generieren, haben wir das Outdoor-Cooking als zusätzliches Geschäftsfeld definiert und überlegt, wie wir dieses erschließen können. Hierbei sind wir auf Otto Wilde aufmerksam geworden, denn das Unternehmen, die Gründer und das Team passen hervorragend zu unseren Werten und unserer Philosophie. Wir freuen uns, dass wir direkt durchstarten konnten.
Das Engagement von Miele kam zu einem Zeitpunkt, an dem offensichtlich wurde, dass das Kickstarter Projekt G32 drohte zu scheitern. Man hatte über 4000 Grills verkauft und die annoncierten Lieferfristen wurden immer wieder verschoben. War man sich bei Miele dieser Probleme bewusst?
Natürlich haben wir die Herausforderungen und auch die mehrmaligen Lieferverzögerungen im Vorfeld intensiv diskutiert. Mit dem G32 hatte das Team von Otto Wilde ein faszinierendes und auch sehr ambitioniertes Produkt entwickelt und konstruiert, dann aber nicht nur mit den Folgen von Corona, sondern auch mit den – insbesondere für ein Start-up – herausfordernden Bedingungen einer globalen Lieferkette zu kämpfen. Die Gründer hatten alles darangesetzt, ihr Projekt plangemäß umzusetzen, dabei aber einige Aspekte unterschätzt und zu optimistisch kommuniziert.
Oder war Ihre Rolle als erfahrener Partner, der dieses Projekt auf die Erfolgsspur bringt, von vornherein so gedacht?
Nein, das war so nicht geplant, und wir hätten uns sehr gefreut, wenn wir den Grill bereits in dieser Grillsaison hätten testen und gemeinsam durchstarten können. Fakt war aber, dass die Produktion und Lieferung eines Produkts in Top-Qualität und mit den versprochenen Features für uns und auch für Otto Wilde an erster Stelle stand und die Qualität zum damaligen Zeitpunkt noch nicht erreicht war. Insgesamt sind wir aber überzeugt, dass wir uns als erfahrener Partner einbringen und Otto Wilde nach vorne bringen können: Wir entwickeln seit über 100 Jahren Produkte und stehen für höchste Qualität. Mit dem Wachstum, dem Spirit und den Innovationen von Otto Wilde entsteht hier eine tolle Mischung.
Wir und viele andere empfanden die Informationspolitik danach als etwas „schwierig“. Wie sehen Sie das? Hätte man mit der Situation früher transparenter kommunizieren sollen?
Wir haben damals die ersten gefertigten Geräte per Flugzeug aus China nach Deutschland fliegen lassen, um schnellstmöglich einen Einblick in den aktuellen Status zu bekommen. Diese wurden von uns und dem Team von Otto Wilde auf Herz und Nieren geprüft, wobei einige Mängel aufgefallen waren, die uns zusammen mit Otto Wilde dazu veranlasst haben, den Liefertermin zu verschieben. Hätte man diese Verzögerung früher absehen können? Vielleicht. Aber das Team von Otto Wilde hat immer daran geglaubt, dass sie es doch noch hinbekommen und mit aller Kraft dafür gekämpft und deswegen Liefertermine genannt, die zu ambitioniert waren. Im Nachhinein ist es natürlich immer leichter, aber aus heutiger Sicht hätten wir selbstverständlich deutlich früher die Lieferverzögerung kommunizieren müssen.
Miele hat später in einem Statement die Auslieferung offiziell auf 2022 verschoben – und zwar um Qualitätsmängel zu beheben. Welche sind das?
Nachdem wir den Grill intensiven Tests unterzogen haben, sind uns mehrere konkrete Themen aufgefallen. Unter anderem kam es unter Extrembedingungen zu einer starken Erwärmung der Bedienelemente und des Kabelbaums. Außerdem hat sich die Haube aufgrund von Schweißverzug verkantet. In der Zwischenzeit haben wir intensiv an diesen Themen gearbeitet, und es liegen für alle Probleme Lösungsansätze vor. Diese fließen jetzt in neue Muster ein, die dann noch einmal ausführlich getestet werden, damit sie den hohen Anforderungen gerecht werden. Im Anschluss haben wir der Zertifizierungsprozess gestartet, da wir aufgrund einzelner Änderungen in der Konstruktion eine neue Zertifizierung einholen müssen.
Welche Auswirkungen hatte Corona auf den Prozess?
Die weltweite Corona-Krise hat uns und Otto Wilde in den vergangenen Monaten vor massive Herausforderungen gestellt. So sind zum Beispiel die Einreisebedingungen nach China nach wie vor stark eingeschränkt, und es ist fast unmöglich ein Visum zu bekommen, um einen Ingenieur nach China zu schicken. Viele wichtige Entscheidungen mussten remote getroffen werden. Auch logistisch kommt es immer wieder zu neuen Herausforderungen – zum Beispiel durch die Delta-Variante oder geschlossene Seehäfen in China. Übrigens: Auch der Start der Partnerschaft gestaltet sich aufgrund von Corona schwierig. Die coronabedingten Einschränkungen haben zum Beispiel die Besuche und Verhandlungen nicht gerade erleichtert. Uns ist es sehr wichtig, dass die Unternehmen nicht nur technologisch, sondern auch kulturell und menschlich zu uns passen. Daher suchen wir intensiv das persönliche Gespräch mit den Gründern und haben uns mit Alexander Luik, Nils Wilde und Otto Wilde mehrfach persönlich getroffen – inklusive eines Rundgangs durch unser Museum, um die Werte von Miele zu verdeutlichen. Auch das wäre ohne Corona viel einfacher gewesen.
Würden Sie die Aussage, dass der Einstieg von Miele bei Otto Wilde für die Backer ein Jackpot ist, unterschreiben?
Ich denke, das müssen die Backer selbst entscheiden. Fakt ist, dass wir bei Miele zu 100 Prozent von den Gründern, dem Team und dem Produkt überzeugt sind und die Backer ein qualitativ hochwertiges und innovatives Produkt erhalten werden. Und das zu einem Preis weit unter dem UVP. Natürlich ist es sehr ärgerlich, dass wir den Liefertermin verschieben mussten, aber momentan stehen alle Ampeln auf Grün, dass wir den genannten Liefertermin halten können. Ich bin mir sicher, dass sich diese zusätzliche Zeit am Ende für die Kunden lohnen wird.
Welche Rolle wird Otto Wilde in Zukunft bei den Plänen von Miele spielen. Wird es einen großen Einstieg von Miele in den Grillmarkt geben?
Wie bereits angedeutet, ist Outdoor-Cooking seit einiger Zeit ein Trendthema, und immer mehr Menschen investieren in hochwertige Grillgeräte oder sogar ganze Outdoor-Küchen. Mit Otto Wilde haben wir einen Partner gefunden, der ideal zu uns und unseren Vorstellungen passt und mit dem wir dieses neue Geschäftsfeld in den nächsten Jahren erschließen und ausbauen können. Daher fokussieren wir uns aktuell voll und ganz auf Otto Wilde.
Welche Visionen und Ideen verfolgt Miele im Grillbusiness? Welche Rolle soll dabei Miele Technologie spielen?
Wir fokussieren uns zurzeit auf das bisherige Angebot von Otto Wilde im Bereich Grillen und Outdoor-Cooking und wollen dieses gemeinsam weiterentwickeln. Hier arbeiten wir eng mit dem Team von Otto Wilde zusammen und lassen unsere langjährige Expertise einfließen. Unter anderem prüfen wir, ob es Potential für weitere Module gibt, um die Outdoor-Küche noch interessanter zu gestalten. Daneben wollen wir das Geschäft von sogenannten „Consumables“ – also Saucen, Gewürzen etc. – sowie weiterem Zubehör ausbauen.
Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen Ihnen viel Erfolg und sind gespannt auf das neue Miele BBQ-Konzept.