Interview mit Herbert Dohrmann

Sie sind wiedergewählt worden zum Präsidenten des deutschen Fleischverbandes – herzlichen Glückwunsch dazu! Was sind die Aufgaben des Verbandes und wie wichtig ist Kontinuität bei Ihrer Arbeit?

Es ist ein ganzer Strauß von Aufgaben, der unsere Arbeit bestimmt, angefangen bei einer schnellen und fundierten Information unserer Mitglieder bis hin zu konkreten Hilfestellungen bei der Umsetzung von Vorschriften. Unsere wichtigste Funktion ist allerdings die politische Interessenvertretung. Gerade die Corona-Krise, die im Wochenrhythmus neue Gesetze und Verordnungen gebracht hat, hat gezeigt, wie wichtig ein funktionierender Verband ist. Wir konnten in dieser Zeit verhindern, dass dem Fleischerhandwerk die Arbeitsgrundlage entzogen wurde.

Kontinuität ist insofern wichtig, als dass wir an die vielen guten Kontakte, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, jetzt anknüpfen müssen. Die Herausforderungen, die auf uns warten, sind nicht ohne.

Der klassische Fleischerberuf ist im Wandel, und man hat große Aufgaben zu bewältigen. Eine der Aufgaben ist es, eine Lösung für den dramatischen Fachpersonalmangel zu entwickeln. Welche Strategien und Pläne kann der Fleischerverband dafür anbieten?

Wir sind strukturieren gerade unsere Werbung und Öffentlichkeitsarbeit neu. Was in unserer PR-Kampagne ein wichtiges Feld sein wird, ist die Personalsituation in unseren Betrieben. Nachwuchsgewinnung, Personalbindung, aber auch das Werben um Quereinsteiger gehören ebenso dazu. Diese wird ergänzt durch unsere wirksame Nachwuchswerbung über das Portal www.fleischerberufe.de, die wir jetzt schon haben.

Es braucht aber auch neue Wege. Ich denke zum Beispiel an die Anwerbung, Ausbildung und Integration von jungen Leuten aus dem Ausland. Ganz aktuell gibt es im Fleischerhandwerk Projekte, die vielversprechend anlaufen. Wir wollen diese Erfahrungen bündeln und so weit wie möglich für uns nutzbar machen.

Als Verband können wir mit solchen Maßnahmen die Betriebe bei der Sicherstellung von Arbeitskräften unterstützen. Das wird allerdings nichts daran ändern, dass das Unternehmen selbst der entscheidende Faktor bleibt.

Das Thema „Fleisch“ ist mittlerweile ein hochpolitisches – „regional“ und „artgerecht“ sind die Schlagworte, und oft wird vergessen, dass die Fleischwirtschaft ein höchst komplexes Wirtschaftskonstrukt mit vielen Facetten und auch verschiedenen Absatzmärkten ist. Wo muss sich der Metzger, der sich wirtschaftlich gut aufstellen möchte, heutzutage positionieren? Oder gibt es viele verschiedene Ansätze?

Der große Vorteil des Fleischerhandwerks ist, dass wir sehr individuell arbeiten können. Je nach Region, je nach strukturellen Möglichkeiten und auch je nach den jeweiligen Kundenwünschen können die Kolleginnen und Kollegen den jeweils richtigen Weg wählen. Das führt tatsächlich dazu, dass die Lösungen von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich sein können. Dabei spielen die grundlegenden Anforderungen immer eine große Rolle: Regionalität, Produktsicherheit, Vielfalt, Nachvollziehbarkeit und Ehrlichkeit gegenüber dem Kunden.

Thema Onlinehandel; der Onlinehandel mit Fleisch wird immer verbreiteter – muss der Metzger mit Ladengeschäft auch einen Onlinehandel betreiben? Wird Online das Ladengeschäft verdrängen?

Auch das wird sehr unterschiedlich gehandhabt. Grundsätzlich muss man sagen, dass der Onlinehandel mit frischen Produkten nicht unproblematisch ist. Aber hier gibt es inzwischen gute Möglichkeiten. Was viele Kollegen schon länger praktizieren, ist der Onlinehandel mit haltbaren Produkten, zum Bespiel Spezialitäten in Konserven. Die regionale Vielfalt wird damit auch deutschlandweit gut verfügbar gemacht.

Mir fehlt die Vorstellungskraft, dass dieser Geschäftszweig am Ende das Ladengeschäft verdrängen könnte. Bei frischen Produkten des täglichen Bedarfs ist die Theke – jedenfalls derzeit noch – unschlagbar. Gerade die Frische, eine der großen Stärken des Fleischerhandwerks, ist online nicht zu halten.

Vegetarisch – Vegan: Die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Produkten wächst, speziell auch nach Fleischersatzprodukten. Ist das ein Markt, der heute zu einem modernen Metzgerbetrieb gehört oder heißt es „Metzger bleib bei deinem Fleisch”?

Wir sind der gefestigten Auffassung, dass es keine Fleischersatzprodukte gibt. Fleisch ist wegen seiner herausragenden Bedeutung für die gesunde Ernährung nicht zu ersetzen. Was es gibt, sind vegetarische oder vegane Erzeugnisse, die durchaus eine Ergänzung bieten können.

Es gehört zu den großen Missverständnissen, dass angenommen wird, wir hätten etwas gegen solche Produkte. Uns stören neue Erzeugnisse nicht, sondern die damit oft einhergehende Diffamierung von Fleisch oder die Aussage, dass ein Klops aus Pflanzen die wichtigen Mikronährstoffe des Fleischs ersetzen kann.

Unsere Betriebe bieten schon lange auch ein Sortiment an, das kein Fleisch enthält, zum Bespiel im Feinkostbereich. Auch Salate oder Gemüse werden im Imbiss oder Party-Service in ganz unterschiedlicher Zubereitung angeboten. Wer sich vegetarisch ernähren will, findet also auch bei uns entsprechende Angebote. Ob er sie ausgerechnet beim Fleischer sucht, ist eine andere Frage.

Unsere Kernkompetenz liegt nach wie vor beim Fleisch, und wir tun gut daran, das auch weiterhin zu pflegen.

Thema Schlachthäuser – durch die Abschaffung der kleineren regionalen Schlachthäuser ist die Transparenz bezüglich einer tiergerechten Behandlung verloren gegangen. Brauchen wir wieder vermehrt kleinere Schlachthäuser? Müssen die Prozesse der Fleischverarbeitung wieder transparenter werden – wenn sie es denn je waren?

Eine gute Behandlung von Tieren bei der Schlachtung ist keine Frage von Groß oder Klein. Wir sind allerdings nach wie vor der Auffassung, dass kurze Transportwege schonender für Tiere und Teil der immer drängender geforderten Nachhaltigkeit beim Wirtschaften sind. Wir halten es auch für sinnvoll, wenn der Verbraucher die Vermarktungswege nachvollziehen kann, wenn er das will.

Das alles setzt einerseits eine dezentrale Schlachtung und andererseits eine bäuerliche Tierhaltung voraus. Das für die nächsten Jahre zu erhalten und an manchen Stellen vielleicht wieder aufzubauen, gehört zu den großen Herausforderungen der nächsten Zeit. Grundvoraussetzung ist in diesem Fall der unbedingte politische Wille, diesen Kreisläufen auch eine Zukunft zu geben.

Was kann der Fleischerverband den Dumpingpreisen der Discounter entgegensetzen? Sind Sie der Meinung, der Druck der Discounter auf den Markt wächst?

Die Konkurrenz durch Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels, die vor allem mit niedrigsten Preisen werben, ist ja nicht neu, sondern begleitet uns seit Jahrzehnten. Derzeit sehen wir eher eine andere Entwicklung, die nicht weniger herausfordernd ist. Durch den wachsenden Druck von Politik und Öffentlichkeit versuchen sich neuerdings einige Unternehmen als Qualitätsanbieter zu profilieren. Tierwohl und Nachhaltigkeit werden jetzt ganz großgeschrieben. Wenn man Zeitungsanzeigen oder Internet-Auftritte sieht, könnten man fast meinen, diese Discounter hätten die Nachhaltigkeit erfunden. Dass sie über Jahrzehnte hinweg wesentlicher Treiber des „Immer-Mehr“ und „Immer-Billiger“ waren, wird diskret ausgeblendet.

Die neuesten Aktivtäten des Handels müssen wir natürlich ernst nehmen. Wir brauchen Antworten, die deutlich machen, dass unsere Konzepte besser sind. Das ist eine Herausforderung, aber ängstigt uns nicht. Es gehört zu den Aufgaben eines Unternehmers, sich auf neue Rahmenbedingungen einzustellen. Darin sind wir Fleischer seit sehr langer Zeit gut geübt.

Wie ist ihr persönlicher Ausblick in die Zukunft?

Durchaus positiv. Es ist schon richtig, dass wir vor großen Herausforderungen stehen – da sind der Strukturwandel in der Landwirtschaft, der große Druck auf kleine und mittlere Schlachtstätten und der generelle Angriff auf Fleisch aus vielen Richtungen. Aber es gibt Antworten darauf, die wir gemeinsam formulieren werden.

Ich will daran erinnern, dass schon in den siebziger Jahren aufgrund des Verdrängungswettbewerbs des Handels der schnelle Niedergang des Fleischerhandwerks prognostiziert wurde. Fakt ist, dass wir immer noch da sind, und die Corona-Zeit hat gezeigt, wie sehr die Kunden unsere Angebote schätzen. Es ist einfach eine Tatsache, dass wir viele Dinge bieten können, die kein anderer kann. Und das wird auch noch sehr lange Bestand haben.

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